Arbeitsrecht Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit
Eine Arbeitnehmerin ist drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt. Bei einer Sechstagewoche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden. Dies entsprach bei einer vereinbarten Dreitagewoche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.
Aufgrund Arbeitsausfalls durch die Corona-Pandemie führte der Arbeitgeber Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvereinbarungen, auf deren Grundlage die Arbeitnehmerin u.a. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete.
Aus Anlass der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Arbeitgeberin eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Sie bezifferte den Jahresurlaub für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage. Daraufhin ist die Arbeitnehmerin vor das Arbeitsgericht gezogen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Der Arbeitgeber sei daher nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.
Die ersten beiden Instanzen hatten die Klage abgewiesen. Auch die Revision beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatte keinen Erfolg: Das BAG hat entschieden, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020 hat.
Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Dies gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien – wie im vorliegenden Fall – für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.
Bei der vertraglichen Dreitagewoche der klagenden Arbeitnehmerin erechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Urlaubsanspruch aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die vom Arbeitgeber berechneten 11,5 Arbeitstage. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Arbeitnehmerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021 – 9 AZR 225/21 –
In einer weiteren Sache hat der Neunte Senat erkannt, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021 – 9 AZR 234/21 –
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.2021